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Fairer Handel - historisch

Im Grunde entstand die Bewegung parallel an mehreren Orten, insbesondere in den Beneluxländern und Großbritannien. In den Niederlanden wurde im Jahr 1959 die Stiftung „Steun voor Onderontwikkelde Streken“, abgekürzt S.O.S., gegründet, die 1967 mit dem Handel von Produkten aus der so genannten Dritten Welt begann. Im April 1969 eröffnete im niederländischen Breukelen der erste Weltladen.

Eine Bewegung entsteht

In Deutschland entstand die Fair Handels-Bewegung dezentral, „von unten“ und aus Protestaktionen gegen wachsende Ungerechtigkeit im Welthandel. Es waren vor allem die konfessionellen Jugendverbände aej und BDKJ, die 1970 als politisches Signal in 70 Städten der Bundesrepublik „Hungermärsche“ initiierten und dafür 30.000 Teilnehmer mobilisierten. Aus Kritik an der offiziellen Entwicklungspolitik entstand daraus die Bewegung „Aktion Dritte Welt Handel“ mit dem Motto „Lernen durch Handel“. In den Jahren 1971-1975 boten immer mehr Dritte-Welt-Gruppen auf Basaren und Märkten Produkte aus Fairem Handel an; die ersten Dritte-Welt-Läden in Deutschland entstanden. 1975 waren es bereits 100 Weltläden!

1975 wurde der Weltladen-Dachverband – damals von sieben Weltläden unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft 3. Welt Läden (AG3WL)“ - als Interessenvertretung der Weltläden und Aktionsgruppen in Deutschland gegründet.

Die Gründung von Fair Handels-Importorganisationen

Im Juni 1972 wurde El Puente - Verein für Arbeits- und Sozialförderung in Entwicklungsländern e.V. gegründet, aus dem eine der größten deutschen Importorganisationen mit Kontakten zu heute ca. 70 Projektpartnern in 37 Ländern wurde. 1973 wurde als Tochter von S.O.S. (Niederlande) - damals noch in Aachen - die „Gesellschaft für Handel mit der Dritten Welt“ gegründet, um den Warenvertrieb zu erleichtern. Aus dieser Organisation ging zwei Jahre später die gepa („Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH“) hervor, heute die größte deutsche Fair Handels-Importorganisation. Neben der AG3WL waren der Kirchliche Entwicklungsdienst (KED) und Misereor Gründungsmitglieder der gepa. Ebenfalls 1973 begannen mit der Unterstützung indigener Weberinnen in Lateinamerika die Handelsaktivitäten, aus denen später GLOBO Fair Trade Partner wurde.

Seit 1986 vertreibt der Verein BanaFair in Deutschland fair gehandelte Bananen von KleinproduzentInnen aus Lateinamerika. Im Jahr 1988 wurde von mehreren Weltläden der Region Oberschwaben der Verein Dritte-Welt Partner Ravensburg e.V. (dwp Ravensburg) gegründet, der mit über 60 Partnern in 30 Ländern heute Deutschlands drittgrößter Importeur fair gehandelter Produkte ist.

Produkte & Kampagnen: einige Highlights

Die Aktion Indio-Kaffee aus Guatemala war 1973 unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ erfolgreich. Jutetaschen aus Bangladesch wurden 1978 mit dem Slogan „Jute statt Plastik“ zum Symbol für die Alternativbewegung und für einen anderen Lebensstil. An die Zeit der Jutetaschen schloss sich 1980 die Ära des berühmt-berüchtigten Nicaragua-Kaffees mit ebenso großer Symbolkraft an. 1986 brachte die gepa mit dem Café Orgánico aus Mexico den ersten fair gehandelten Bio-Kaffee auf den Markt.

Die 90er Jahre: Auf der Suche nach neuen Absatzwegen

Durch den Zusammenbruch des Kaffeeabkommens 1989 fiel der Weltmarktpreis bis Anfang der 90er Jahre auf unter 60 US-$/100 am. Pfund (das ist die Handelseinheit an den Kaffeebörsen) – ein wichtiger Impuls für Fair Handels-Initiativen, ihre Aktivitäten auszuweiten und zu koordinieren. Handelspartner fragten verstärkt nach zusätzlichen Vermarktungsmöglichkeiten.

In Deutschland wurde 1992 die Siegelorganisation TransFair gegründet. Die Idee dahinter: Mit Hilfe eines Siegels für fair gehandelte Produkte sollten auch konventionelle Vertriebswege für den Absatz fair gehandelter Produkte erschlossen werden. Im Supermarktregal konnten fortan die Verbraucher fair gehandelte Produkte an dem Siegel erkennen. Neben Fair-Handels-Importorganisationen stiegen nun auch konventionelle Unternehmen in den Fairen Handel ein. Sie konnten ihre Produkte mit dem Siegel kennzeichnen, sofern sie diese Produkte nach den fest gelegten Fair-Handels-Standards gehandelt hatten.

Auch die klassischen Bereiche des Fairen Handels wuchsen: Inzwischen boten 600 Weltläden fair gehandelte Produkte an. Der Umsatz im Fairen Handel steigerte sich in Riesenschritten, bei der gepa z. B. von 28 Mio. DM 1991 auf 55 Mio. DM im Jahr 1994.

Kooperationen und Zusammenarbeit

1990 entstand die EFTA (European Fair Trade Association) als europäischer Dachverband für elf große Fair-Handels-Organisationen aus neun Ländern mit Sitz in den Niederlanden.

Vier Jahre später nahm NEWS!, das Network of European Worldshops, seine Arbeit mit Sitz in den Niederlanden (heute: Mainz) auf.

1997 schlossen sich nationale Siegelinitiativen, darunter die deutsche Siegelorganisation TransFair, zur Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) zusammen, um gemeinsame Standards zu entwickeln und deren Umsetzung zu kontrollieren.

Im Mai 1996 fand der erste von NEWS! organisierte Europäische Weltladentag statt („Frühstücken mit Afrika“) – und seitdem jedes Jahr! Im September 2001 fand in Deutschland bundesweit die erste Faire Woche statt, organisiert von einem Trägerkreis, aus dem heraus 2002 das Forum Fairer Handel gegründet wurde.

Heute

Heute gibt es in Deutschland mehr als 800 Weltläden und mehrere Tausend Fair-Handels-Aktionsgruppen, die die Bewegung des Fairen Handels stützen. Inzwischen werden fair gehandelte Produkte mit dem Fairtrade-Siegel in 30.000 Supermärkten angeboten. 110 Unternehmen bieten Produkte mit dem Siegel an. 2007 wurden fair gehandelte Produkte in einem Gesamtwert von rund 193 Mio. Euro verkauft