
Bericht über den Diskussionsabend am 17.06.2025 im Jola
„Die Hoffnung reist immer mit – Von Erdbeeren, Spargel und Saisonkräften“
Rund 242.800 Saisonarbeitende kamen allein im Jahr 2023 überwiegend aus osteuropäischen Ländern nach Deutschland, um von März bis Oktober bei Anbau und Ernte landwirtschaftlicher Produkte zu helfen. Die Zahlen gehen zurück, was durchaus ein Problem für die Landwirte darstellt, die auf die Unterstützung dieser Kräfte angewiesen sind. Mit 28% stellen Saisonkräfte schließlich gut ein Viertel aller Arbeitnehmenden in der Landwirtschaft. Dazu kommen 27% ständige Arbeitnehmer und 45% Familienangehörige (Quelle: Stat. Bundesamt). Trotzdem gelangen immer wieder Meldungen von schlechten Arbeitsbedingungen, Unterkünften und sogar Ausbeutung an die Öffentlichkeit.
Darum bieten Beratungsstellen wie zum Beispiel Faire Mobiliät und Arbeit und Leben muttersprachliche Beratung in Arbeitsrechtsfragen an und werden dafür finanziell vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) oder entsprechenden Programmen der Bundesländer unterstützt. Bereits 2016 haben sie sich gemeinsam mit der IG BAU (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt) und weiteren Partnern zur Initiative „Faire Landarbeit“ zusammengeschlossen. Von den Aktionen und „Feldbesuchen“, mit denen die Saisonkräfte auf dieses Angebot aufmerksam gemacht werden, ihren Erfahrungen und den Bemühungen auch mit landwirtschaftlichen Arbeitgebern ins Gespräch zu kommen, berichtete anschaulich Kateryna Danilova. Als Beraterin bei Faire Mobilität und bundesweite Branchenkoordinatorin für das Thema Landwirtschaft ist sie u.a. Autorin des jährlichen Branchenberichtes der Fairen Landarbeit. In diesem Jahr nimmt er sich schwerpunktmäßig des Themas „Unterbringung“ an. Gerade am Vortag zur Veranstaltung war sie mit Kolleg*innen zu Hofbesuchen in Schleswig-Holstein unterwegs, auf denen überwiegend Erntehelfer*innen aus Polen und der Ukraine arbeiten.
Erdbeeren auf Augenhöhe sind ein Erntevorteil
Auf dem Obsthof Holst hingegen helfen Menschen aus Rumänien bei der Ernte, erzählte Ingrid Holst, ihres Zeichens Gärtnerin der Fachrichtung Obstbau. Neben anderen Obstsorten baut ihre Familie auf vier Hektar Erdbeeren an und entschied sich schon vor vielen Jahren für den „geschützten Anbau“ unter Folientunneln oder Glas. Bei ihr wachsen die Erdbeeren somit auf Stellagen und erhalten ihre Beregnung durch ein Tröpfchenbewässerungssystem. Das hat bei der Ernte den Vorteil, dass die Früchte quasi auf Augenhöhe reifen und die ständig gebückte Haltung wie bei der Freilandernte entfällt. Bezahlt wird nach Mindestlohn, einen Akkord gäbe es nicht, denn der wirke sich negativ auf die Qualität der gepflückten Früchte aus. Zum Pflücken „zugelassen“ wird zudem nur, wer gründlich eingewiesen und angelernt wurde, denn Qualität ist das A und O. Ähnlich äußerten sich auch Teilnehmende in der Diskussion, die sich als Obstbauern aus dem Alten Land zu erkennen gaben. Ein Grund, warum sie auf Langzeitbeziehungen zu ihren Saisonkräften setzen. Werden weitere Kräfte benötigt, greife man gern auf die Fürsprache/Rekrutierung durch Mitarbeitende zurück, die das Vertrauen beider Seiten genießen.
Für die IG BAU war an diesem Abend Alexander Kahl, stellvertretender Bezirksvorsitzender Hamburg, mit dabei. Durch die dazugehörigen Branchen Bau, Agrar (gewerkschaftsintern „der grüne Bereich“) und Reinigung kennt die Gewerkschaft die besonderen Herausforderungen und Probleme, die sich gerade für ausländische (ggf. befristet) Beschäftigte ergeben können, gut. Er berichtete von den Parallelen und Unterschieden bei der Beschäftigung in den verschiedenen Branchen und erläuterte das Modell der saisonalen Mitgliedschaft, mit dem die IG BAU kostengünstig einen Rechtsschutz für Saisonarbeiter*innen bietet.
Handarbeit fordert ihren Preis
Die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angestrebte Erhöhung des Mindestlohnes auf 15 Euro war eines der Kernthemen in der Diskussion. Deutlich spürbar war die Sorge der Landwirte, dass bei einem Anteil von rd. 65% Lohnkosten (durch die Handarbeit) an den gesamten Betriebskosten, eine so deutliche Erhöhung der Löhne nur durch Preissteigerungen im Verkauf händelbar wäre. Schon jetzt kosteten Erdbeeren zu Beginn der Saison gut 5 Euro. Der Handel als Abnehmer trägt solche Preise nicht mit, sondern erhöht schon jetzt durch günstige Importware den Preisdruck. Auf der anderen Seite: „Es sind gute Arbeiter und natürlich brauchen sie einen auskömmlichen Lohn“. Ein Dilemma, dass die Diskutanten von der Frage, ob der verstärkte Einsatz von Ernterobotern zur Kostensenkung beitragen könnte bis zu dem Hinweis, dass „Zölle“ ggf. eine Möglichkeit wären, einheimische Produktion zu stärken, führte. Deutlich auch der Wunsch des abendlichen Publikums, fair produzierte Erdbeeren und Spargel kaufen zu können und sowohl Qualität als auch gute Arbeitsbedingungen zu honorieren. Dafür empfiehlt sich ein guter Kontakt und Austausch zwischen Produzent*innen und Verbraucher*innen.
Bei der von der Initiative Neugraben Fairändern und dem KDA gemeinsam durchgeführten Abendveranstaltung gelang dies in einer offenen und sich gegenseitig wertschätzenden Atmosphäre. Fortsetzung erwünscht.